„Sack welle?“

Freitagabend, an der Coop Tankstelle, kurz nach dem Bezahlen meiner wie immer astronomisch hohen Dieseltankladung und noch ein paar Lebensmittel (die Läden waren natürlich mal wieder zu): Ich warte förmlich darauf… Tatsächlich kräht mir die Kassiererin zu: „Sack welle?“, zu Deutsch: „Tüte gewollt?“, alias: „Hätten sie gerne eine Plastiktüte?“. Am liebsten würde ich im Staccato zurückgeben: „Nei, Sack ned welle“. Eine Unart, diese Art von Kundenkommunikation. Wie wäre es mit ganzen Sätzen?

Ich schüttle den Kopf und krame aus meiner Handtasche eine der drei Mehrweg-Einkaufstaschen, die ich immer dabei habe. Die rote mit den weissen Punkten. Sie ist zusammengefaltet und steckt in einem kleinen Futteral, farblich passend zur Tragetasche. Meine Tragetasche ist zwar – wie die Plastiktüten auch – aus Kunststoff, aus Polyester, aber: sie wurde schon hundertfach verwendet, mindestens zweimal wöchentlich. Und: sie landet nicht irgendwo in der Müllverbrennung oder den Weltenmeeren.
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Die Augen der Kassiererin weiten sich. Oh, eine Kundin, die KEINE Plastiktüte will! Nach dem ersten Schock – diese Situation kommt wahrscheinlich nicht so häufig vor – schiebt sie die Ware in meine Richtung, damit ich sie in meine Tragetasche einräumen kann. Ich frage mich, warum. Wenn ich „Ja, ich wett en Sack“ sage, dann räumen sie mir normalerweise die Ware ein. Wenn ich aber meine eigene Tasche heraushole, dann nicht. Das habe ich schon öfter mal beobachtet. Warum eigentlich? Meine Reaktion: ich schiebe die Ware wieder zurück und drücke  der „Sack welle?“-Tante meine rote Tasche mit weissen Punkten in die Hand. Diese nonverbale Aktion ruft regelmässig ein überraschtes, erstauntes und höchstwahrscheinlich völlig unbewusstes Hochziehen der Augenbrauen hervor. Aber es funktioniert! Genauso, wie wenn man seinen Kindern sagt: „soll ich dir beim Einräumen der Spülmaschine helfen?“ Nonverbale Aktionen liebe ich! Jedenfalls räumte sie mir alles brav in meine Tasche ein.

An der Ausstellung „Oh Plastiksack!“ im Gewerbemuseum in Winterthur, die ich im Jahr 2012 mit meinem Junior besuchte, las ich, dass die durchschnittliche Nutzungsdauer einer Plastiktüte bei sage und schreibe 25 Minuten liegt. Und dass nur ein kleiner Anteil wiederverwertet wird. So landen die meisten Plastiktüten in der Müllverbrennung – wertvolle Rohstoffe verbrennen. Um Plastiktüten herzustellen braucht man nämlich Rohöl. Viel Rohöl, denn seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass es jährlich 1 Billion Tüten auf unserer Welt gibt.

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Exponate bei Oh Plastiksack! Gewerbemuseum Winterthur

Bei Stern TV heisst es: „Jedes Jahr verbrauchen die Deutschen 5,3 Milliarden Plastiktüten. Das macht 10`000 Tüten, die der Einzelhandel pro Minute herausgibt. Jeder von uns benutzt durchschnittlich 65 Stück im Jahr. Damit gehört Deutschland zu den Spitzenreitern im weltweiten Plastiktütenverbrauch.“ Und weiter: „Bei neun von zehn Tüten sind die Rohstoffe verloren. Fast 90 Prozent der Tüten landen gleich wieder im Müll, durchschnittlich nutzen wir eine Tüte etwa 25 Minuten. Bis Plastiktüten vollständig zerfallen, benötigen sie allerdings bis zu 500 Jahre. Trotz aller Bemühungen der Deutschen, ihre Tüten mehrfach zu verwenden – europaweit wird höchstens jede zehnte Tüte recycelt. Bei neun von zehn Tüten sind die Rohstoffe verloren. Allen voran Öl, der Grundrohstoff für Polyethylen. Die meisten Plastiktüten sind daraus hergestellt. Für eine normale Supermarkt-Tragetasche werden etwa 40 Gramm Rohöl benötigt. Für die Menge an Tüten, die Deutschland in nur fünf Tagen verbraucht, ließe sich die Münchener Allianz-Arena bis zum Rand mit Rohöl vollgießen. Für die weltweite Einwegtüten-Herstellung werden täglich 570 Millionen Liter Rohöl verschwendet. Selbst vermeintlich „gute“ Tüten aus recyclebaren Rohstoffen sind ein Umweltdesaster. Die Alternativen aus Zuckerrohr und Maisstärke und angeblich kompostierbare Tüten entpuppen sich als Mogelpackungen. Denn selbst diejenigen Tüten, die ein Biolabel tragen, lassen sich nicht einmal industriell kompostieren.“

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Exponate aus „Oh, Plastiksack!“, Gewerbemuseum Winterthur

In vielen Ländern sind die Mülldeponien voll davon und in den Weltmeeren gibt es hektargrosse Plastiktütenareale – im Pazifik ist das Areal so gross wie Mitteleuropa – bei denen sich der nicht abbaubare Unrat aufgrund der Strömungen sammelt. Ganz zu schweigen von den Meerestieren, die jedes Jahr aufgrund der Plastikflut verenden. Schildkröten, Möwen, Pelikane, Wale, Delfine und viele mehr. Bei dem nach vielen Jahrzehnten endlich zerkleinerten Plastik-Unrat gehen die Kleinteile in die Organismen der Meereslebewesen ein und schwächen ihre Immunsysteme oder zerstören sie langsam und qualvoll. Ich finde, das ist eine Katastrophe!

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Schon bei der Herstellung von Plastiktüten wird jede Menge CO2 ausgestossen, bei der Verbrennung noch mehr. Hinzu kommt noch das Bedrucken der Tüten – jemand muss die Aufdrucke designen, Maschinen müssen die Plastikfolien bedrucken und in ihre Form schneiden und zusammensetzen, es wird Strom und Druckerfarbe benötigt. Die Maschinen nutzen sich ab und müssen irgendwann ersetzt werden. Menschen, die das alles überwachen und Menschen, die die Tüten vermarkten müssen bezahlt werden.

Es ist so einfach, hier ein Zeichen zu setzen! Eine Mehrweg-Tragetasche aus Polyester in ihrer kleinen Hülle ist nicht grösser als eine Packung Taschentücher und sie kostet wirklich nicht alle Welt. Hole Dir auch so eine Mehrwegtasche!

Kleiner Tipp: sie sind ganz einfach wieder zu verstauen: einfach zusammenrollen, um den Finger wickeln und in das Futteral stopfen, fertig!

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Ich habe etwas beschlossen: wenn ich 100 follower für meinen Blog habe, dann werde ich für eine Mehrfachtragetasche höchstpersönlich einen schönen Aufdruck designen und sie jedem einzelnen follower zukommen lassen! Also: melde Dich gleich als follower an. Und kaufe Dir schon mal in der Zwischenzeit eine Mehrwegtasche! Wenn Du die Mehrwegtasche benutzt, denke an diesen Beitrag in meinem Blog. Tu es für Dich, für uns und für unsere Welt!

Links und Quellen:

Deutsche Umwelthilfe
http://www.duh.de/3711.html

Mehrfach-Tragetasche
http://www.duh.de/3741.html

Stern TV
http://www.stern.de/tv/sterntv/umweltsuende-einwegtasche-koennen-wir-auf-plastiktueten-verzichten-2029191.html

„Oh, Plastiksack!“ Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur http://gewerbemuseum.ch/ausstellungen/aktuell/detailansicht/gmwausstellung/alltagsobjekt-plastiktuete/?no_cache=1

Mein Portal.ch
http://www.meinportal.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=603:plastiktaschen-ein-umweltproblem&catid=20&Itemid=71

23 Gedanken zu „„Sack welle?“

  1. Ich habe mehrere dieser Faltbeutel schon seit Jahren in Betrieb.
    Gewöhnliche Plastiktüten werden bei mir für die Asche aus dem Cheminée entsorgen benutzt und die Rascheltüten passen perfekt für den Abfalleimer im Bad der in einem Dreimädelhaus schnell voll ist.

  2. Pingback: Endlich! Veggiebags bei der Migros! | wirfsnichtweg

  3. Hallo Ressource C!
    Toller Beitrag. Er regt echt zum Nachdenken an. Auch eine super Idee mit deinem eigenen Design. Ist daraus schon etwas geworden?

    Ich bin durch das Plastiktütenmonster auf diese Mehrwegtaschen aufmerksam geworden:
    http://repetbags.de

    Das geniale ist, dass die Verpackung am Beutel vernäht ist und man den Beutel einfach rein stopfen kann. Dazu sind dieTaschen aus PET-Flaschen. Die bieten auch Obst- und Gemüsebeutel an.

    Ich habe den Vita seit einer Woche. Der hält echt was aus.

  4. Hi, ich habe zwei davon, eine wunderschöne die immer in der Handtasche ist und eine zweite, die ich in der Not gekauft habe weil der Einkauf grösser war als Nr. 1 und die jetzt in der Büroschublade auf den nächsten Einsatz wartet.
    Diese Taschen sind jetzt auch mein Standardgeschenk an Kolleginnen denen mein Modell aufgefallen ist. Die freuen sich immer drüber.

    • Hallo Vero
      Gute Idee, man sollte wirklich gleich mehrere Taschen davon haben und verschenken. Wenn ich 100 Followers (ohne die Facebook Kontakte) habe, designe ich eine Tasche und schicke jedem Follower eine 🙂
      Stell doch mal ein Foto von dem Design Deiner Tasche ein, ok?
      Viele Grüsse, Cornelia

  5. Pingback: Müllvermeidungstipp 1: Stoffsackerl | Disposable Society

  6. Pingback: wirfsnichtweg

  7. Toller Beitrag ! Ich habe auch solche Taschen in jeder Tasche und im Auto. Den Gedanken meine Tasche den „Sack welle“ Frauen oben an der Tanke zu geben, damit sie ihn füllen, hatte ich noch nicht 🙂

  8. Ich habe immer eine Stofftasche und so eine faltbare, wie du, bei mir. Wenn ich auf die Frage nach einer Tasche meine Taschen hervorkrame, kommt meistens von den Verkäufern: „Oh, sie haben ja welche, ist ja auch eigentlich besser.“ =^_^=

    • Und räumen die Verkäufer Dir die Ware ein? Kannst Du das mal beobachten und mir schreiben, ob Du auch die Erfahrung machst, dass sie einem das Einräumen überlassen, wenn man die eigene Stofftasche mibringt? Ich finde das sehr kurios! Danke für Deinen Beitrag und viele Grüsse aus Helvetien 🙂

      • Automatisch räumen sie es nich ein, wenn ich aber drum bitte: „ich habe selber eine Tasche dabei, würden sie es bitte hier reintun“, hat sich bisher keiner geweigert 😀

  9. Toller Beitrag! (und toller Blog im übrigen!). Ich liebe diese Beutel, und habe in jeder Handtasche mindestens einen. Habe Deinen Beitrag auf meinem Blog verlinkt, weil es gerad so gut zu dem passte, was ich schreiben wollte! Liebe Grüße Katja

    • Vielen herzlichen Dank für’s Verlinken, ich habe mir Deinen Blog angeschaut und abonniert 🙂 Dieser Beitrag hat ganz besonders viele Reaktionen ausgelöst. Wir müssten wirklich umdenken!

    • Na, Sylvester hatte es in sich :-))) Suuuuper. Jetzt fehlst noch Du – besorge Dir auch einen. Oder eine Stofftasche. Und denk an mich, wenn Du die verdutzten Gesichter des Verkaufspersonals anschaust! Es ist wirklich erstaunlich, wie mainstream Plastiktüten sind und wie out-of-the-box selber gebrachte tragetaschen…

  10. Ich habe, wenn ich meine Tasche dabei habe, immer einen Stofftasche dabei. Muss ich kaufen dann spare ich sie auf für Second hand Läden,

    Ps Toller Blog

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